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REISEBERICHT


10. Nordamerika – Travelling - Fellowship der Initiative 93 Technische Orthopädie 2012.


Reisebericht 2012


Die Gruppe der Travel-Fellows 2012 der Initiative’93 setzte sich folgendermassen zusammen: Dr. med. Martin Berli (Schweiz Reisemarschall), Dr. med. Christoph Thaler (Österreich), Dipl. Ing. (FH) Daniel Heitzmann (Deutschland). Herrn Heitzmann wurde die Reise durch die Unterstützung mittels der FOT / Fortbildungsvereinigung für Orthopädie-Technk e.V. ermöglicht. Der vorgesehene vierte Kollege aus Deutschland musste leider aus familiären Gründen kurzfristig von der Reise zurücktreten.

Als Gruppe haben wir eine Strecke von rund 17‘193 Flugmeilen (27‘670 km) zurückgelegt um zu unseren 8 Haupt-Reisestationen zu gelangen, wobei das übliche Kreisen über dem Zielgebiet vor den Landungen nicht inbegriffen ist. Die 8 Haupt-Reisestationen wiederum umfassten diverse Unterkategorien, zu welchen wir jeweilsmit einem vor Ort angemieteten Auto fuhren.

Auf unserer Reise haben wir 13 Spitäler / Krankenhäuser, 5 Firmen der Orthopädischen Industrie, 9 Ganganalyse Laboratorien und rund 5 Forschungszentren besichtigt und bei dieser Gelegenheit über 50 Visitenkarten gesammelt.

Keine Statistik geführt haben wir über die verschenkten Kilogramm Schokolade und die verteilten Geschenke.


Die Details

Nach diversen Emails zur Vorbereitung und Organisation – an dieser Stelle sei auch Professor Bernhard Greitemann und Frau Ursula Grunau für die geduldige und ausführliche Beantwortung aller aufkommenden Fragen ganz herzlich gedankt – trafen wir uns zum ersten Mal im Flugzeug von Frankfurt nach San Francisco. Eine Illustration der diesjährigen kompletten Reiseroute finden Sie in Abbildung 1.

Reisebericht 2012
Abbildung 1: Reiseroute des diesjährigen Travel Fellowship-Programms


San Francisco


Abbildung 2: Besuch des AAOS Kongess Daniel Heitzman; Dr.Martin Berli; Dr. Christoph Thaler (v.l.n.r.)

In San Francisco besuchten wir zum Aufwärmen den Jahreskongress der AAOS (American Academy of Orthopedic Surgeons), der immer wieder ein beeindruckendes Ereignis darstellt, einerseits wegen seiner Größe, andererseits wegen der geballten Ladung an Fachwissen und Kompetenz im Bereich der Orthopädischen Chirurgie (Abbildung 2). Diese kommt vor allem bei den allgemein zugänglichen Podiumsdiskussionen zur Geltung, die immer in bester amerikanischer Show-Manier umgesetzt werden. Auf der anderen Seite waren im Programm der AAOS Sessions bzw. Vorträge zum Thema Rehabilitation bzw. Orthopädietechnik nur spärlich gesät. Dies zeigte sich auch bei der angegliederten Fachmesse bei der die Stände der Orthopädischen Industrie eine untergeordnete Rolle neben den großen Endoprothetik Herstellern wie DePuy, Zimmer und Biomet spielten.


Abbildung 3: Leiterin des Ganglabors der Stanford University Prof. Jessica Rose (Dritte v. li.)

Anlässlich diverser Meetings und Abendessen lernten wir auch verschiedene unserer künftigen Gastgeber persönlich kennen, mit welchen wir vorgängig bereits Emailkontakt hatten.

Nach dem AAOS Kongress fing die eigentliche Reise an: An der Stanford University in Palo Alto hatten wir Gelegenheit das Orthopädie-Forschungslabor von Prof. Peter Yang zu besichtigen und das Gait-Lab von Prof. Jessica Rose zu besuchen. Prof. Yang (Abbildung 4) forscht im Bereich der Endoprothetik und versucht mittels spezieller Beschichtungen der Schäfte eine vorzeitige Lockerung zu reduzieren. Prof. Jessica Rose untersucht mit ihrer Gruppe hauptsächlich Kinder mit neurologischen Gangstörungen. Unter anderem ist diese Gruppe aktiv an einem Gerät zur Funktionellen Elektro-Stimulation (FES) bei Kauergängern mit infantiler Cerebralparese beteiligt. Weiter befasst sich Frau Prof. Rose mit der frühkindlichen Entwicklung des Gehirns mittels FMRT, im speziellen bei Frühgeborenen. An beiden Orten waren wir von den zentralen Forschungsarbeiten sehr beeindruckt.


Abbildung 4: Besuch bei Prof. P. Yang (Bildmitte) Stanford University


Los Angeles

Die nächste Reisestation war Los Angeles mit dem ausgesprochen großzügigen und stets um uns Fellows bemühten Gastgeber Prof. John Hsu: Dieser hatte für uns ein intensives fachliches und soziales Programm organisiert, mit dem Besuch des „Magic Castle“ als Höhepunkt, zu dem er als Magier-Mitglied mit Gästen Zutritt hat. Fachlich genossen wir den Besuch des Shriner Hospitals for Children in Los Angeles unter der Führung von Hugh Watts – auch bekannt als „Huge“ Watts – und den beiden neu gewählten Nachfolgerinnen (Abbildung 5). Wir besuchten unter anderem die Ambulanz der Orthopädie Technik in der wir mehrere Patienten mit deren Versorgungen kennen lernten. Unter anderem zwei dysmele Patienten, eine Unterarmamputierte und ein Patient mit einer Umkehrplastik nach Borggreve, die in den USA nur unter dem Namen Van Ness Rotationplasty bekannt ist. Als Überraschung hatten wir auch noch Gelegenheit Prof. Georg Neff mit Gattin als Mitgründer der Initiative’93 und des Reise Fellowship-Programms kennen zu lernen (Abbildung 5) und unserer Begeisterung über dieses Ausdruck zu verleihen.


Abbildung 5: Besuch des Shriners Hospital for Children in LA mit Prof. Hugh Watts (erster .v.li.) und Prof. Georg Neff
(dritter v. re.)

Eher erschüttert waren wir beim Besuch der ehemaligen orthopädischen Abteilung des Rancho Los Amigos Spitals über die Schwere der Erkrankungen und Verletzungen der dort stationär behandelten Patienten. Dort hatten wir die Gelegenheit auf die Morgenvisite von Chefarzt Prof. Salah Rubayi – einem plastischen Chirurgen – mitzugehen und eine volle Abteilung paraplegischer Patienten zu visitieren, die hauptsächlich durch Schussverletzungen und Verkehrsunfälle gelähmt waren und mit massiven Lappenplastiken aufgrund schwerer Decubiti versorgt werden mussten. Ein Highlight unserer Reise war anschließend das Zusammentreffen mit Prof. Jacqueline Perry, der Pionierin der Ganganalyse (Abbildung 6). Mittlerweile 93 jährig nimmt sie immer noch aktiv am Klinikgeschehen teil, kann sich jedoch auf Grund ihrer schweren Parkinson-Erkrankung kaum noch verständlich machen. Ausgesprochen gefreut hat sie sich über die mitgebrachte Schokolade, das kam sehr klar zum Ausdruck.


Abbildung 6: Die Fellows und Prof. Jacqueline Perry

Am darauf folgenden Tag, nach dem Sprechstundenbesuch der Kinderklinik im Orthopedic Hospital Los Angeles mit Prof. John Hsu und Prof. Peter Thaler statteten wir am Nachmittag noch der Firma Össur in Foothill Ranch einen Besuch ab, wo wir über deren aktuelle Produkte upgedated wurden (Abbildung 7). Leider erhielten wir dort keinen Einblick in die Produktion, was aufgrund des relativ engen Zeitplans auch kaum möglich gewesen wäre.


Abbildung 7: Besuch bei Össur USA Foothill Ranch Orange County CA CPO Duane Romo; Hogni Fridriksson; Dr. Christoph Thaler; Georgette Belair; Dr. Martin Berli; CPO Kurt Gruben; Daniel Heitzmann (v.l.n.r.)


San Antonio

Von Los Angeles ging die Reise weiter nach San Antonio in Texas, wo wir erstmals das Brooke Army Medical Center (kurz BAMC) besuchen konnten. Dieser Besuch war eines der Highlights unserer Reise: Besonders beeindruckt waren wir von den scheinbar unlimitierten Mitteln, die dem Zentrum von der Army zur Verfügung gestellt werden, um die verwundeten Soldaten wieder auf die Beine zu bringen. Zusätzlich wurden durch Spenden enorme Geldmittel gesammelt, die den Bau eines auf Amputierte spezialisierten Zentrums, dem CFI, ermöglichten.


Abbildung 8: Motek Caren System im Centre for the Intrepid (CFI / Quelle: usarmy.vo.llnwd.net)

CFI steht für „Center for the Intrepid“, was frei übersetzt das „Zentrum der Unerschrockenen“ bedeutet. Dass all die privat gespendeten Mittel auch sinnvoll und zweckgebunden eingesetzt werden, ist eine der Hauptaufgaben des uns betreuenden LTC MC Dr. Donald Gajewski. Aus all den technischen Hilfsmitteln und Rehabilitations-Einrichtungen stach vor allem das Labor zur Ganganalyse hervor, welches neben einem sehr großzügig dimensionierten Labor auch ein Stystem der Firma Motek vom Typ Caren (Computer Assisted Rehabilitation Environment) beinhaltete (Abbildung 8). Dieses ist domförmig aufgebaut und erlaubt den Patienten in einer ihn vollständig umgebenden virtuellen Umgebung zu bewegen und ihn so Idealerweise wieder für einen Einsatz aufzubauen. Wenn man von der Tatsache absieht, dass hier eine sehr große Zahl eigentlich gesunder junger Menschen durch Kriegsaktivitäten verstümmelt wurde, dann war diese Führung sicher sehr erfreulich, weil in diesem Zentrum die aktuellen Grenzen der Rehabilitation sicher vollständig ausgelotet und neue Möglichkeiten geschaffen werden. Als besondere Ehre empfanden wir dass uns die Medaille des Programms am Ende des Tages überreicht wurde.


Abbildung 9: Medaille des Programms zur Rehabilitation von Soldaten der US Army


Salt Lake City

Von San Antonio führte unsere Reise nach Salt Lake City: Unser Gastgeber war Harold Sears (Abbildung 10) von Motion Control, einer Firma die in Europa vor allem für ihren elektronischen Ellenbogen den so genannten Utah-Arm bekannt ist.


Abbildung 10: Die Fellows beim Testen einer myoelektrischen Prothese bei Motion Control / Harold Sears (li.)

Harold hatte ein ausgesprochen interessantes Programm zusammengestellt, wobei wir uns vor allem über den tiefen Einblick in die Produktion der Motion Control Produkte freuten, welche fast ausschließlich von Hand gefertigt werden. Ferner stellte uns Harold Sears seine neuen Forschungsprojekte vor, wobei vor allem ein neuer Prothesenfuß mit einem adaptiven hydraulischen Sprunggelenkssystem sehr viel versprechend daher kommt. Der Besuch am Shriners Hospital for Children in Salt Lake City bei Prof. Jacques d’Astous und seinem Team war auch ein sehr erfreulicher Anlass, wo wir uns im Rahmen eines speziell organisierten Symposiums mit Spezialisten aus dem Rehabilitationsbereich austauschen und sehr spannende Kontakte knüpfen konnten. Diese vertieften wir dann am nächsten Tag, wo wir ins Orthopedic Research Laboratory der University of Utah eingeladen waren und von Prof. Kent Bachus geführt wurden. Diese Forschergruppe beschäftigt sich intensiv mit der Osteointegration von Exoprothesen und der damit zusammenhängenden Infektionsproblematik. Die aktuellen Resultate sind sehr ermutigend, so dass die Gruppe zuversichtlich ist, bis Ende 2013 die FDAZulassung für diesen Interventionstyp zu erreichen.


Abbildung 11: Besuch der Universität Utah Die Arbeitsgruppe um Roy D. Bloebaum mit Dr. Kent Bachus (dritter v. re.)

Am Nachmittag besuchten wir vor dem Abflug noch ein neues Startup-Unternehmen namens eMotis, wo sich die Gründer auf die Produktion von Carbon-Fussprothesen spezialisiert haben (Abbildung 12).


Abbildung 12: Besuch bei eMotis


Minneapolis

Nach Salt Lake City stand Minneapolis auf dem Programm: Die Firma Otto Bock hatte für uns einen Besuch der Mayo Clinic in Rochester organisiert. Dort wurden wir über den ganzen Tag von Prof. Kenton Kaufman betreut, dem Leiter des Biomechanics Motion Analysis Labors (Abbildung 13). In besonders ausgeprägter Erinnerung geblieben sind uns vor allem die neuen Behandlungsansätze im Ganglabor mit der Sturzschulung und das postoperative Rehabilitationsprogramm nach Amputationen von Prof. Thomas Shives (Abbildung 13). Diesem zufolge werden die Patienten nach Amputationen – Unter- und Oberschenkel – im Schnitt nach 5-7 Tagen mit einer provisorischen Prothese versorgt aus der Klinik entlassen.


Abbildung 13: Die Fellows beim Besuch der Mayo Clinic in Rochester mit unter anderem Prof. Kenton Kaufmann (zweiter. v. li.); Prof. Thoms Shives (dritter v. re) und Mark Edwards (Otto Bock / zweiter v. re)

Vor dem Abendessen besuchten wir noch die Firma Prosthetic Laboratories, die exklusiv die Prothesenversorgung der Mayo Clinic Patienten vornimmt.

Vom Besuch der Firma Tamarack von Marty Carlson in Minneapolis waren wir fachlich und menschlich ausgesprochen angetan. Die Firma die in Europa eigentlich nur für ihre flexiblen AFO (Ankle Foot Orthosis) Gelenke bekannt ist überraschte mit innovativen Ansätzen z.B. in der Rollstuhlversorgung und in der Dekubitusprophylaxe. Überraschend hat Wieland Kaphingst als neuer Mitarbeiter von Tamarack und gleichzeitig eine der „Größen“ der deutschen Orthopädietechnik uns neben Marty Carlson bei Tamarack gehosted (Abbildung 14).


Abbildung 14: Die Fellows beim Besuch von Tamarack mit Marty Carlson an der AFO und Wieland Kaphingst (erster v. re.)


Dallas

Von Minneapolis führte uns die Reise nach Dallas. Hier wurde das Programm von Prof. Frank Gottschalk zusammengestellt, wobei die einzelnen Fellows hier getrennte Wege gingen: Martin Berli besuchte die Sprechstunde und den OP mit Prof. James Brodsky, einem bekannten Fußchirurgen, Christoph Thaler besuchte das Team des Texas Scottish Rite Hospital for Children, wo er im OP eine Ganz-Osteotomie bei Prof. John Herring und Prof. Daniel Sucato (Abbildung 15) assistierte.


Abbildung 15: Dr. Thaler (li) und Prof. Daniel Sucato (re) im OP Bereich des Texas Scottish Rite Hospital for Children

Daniel Heitzmann hatte Gelegenheit das Ganganalyse Labor und die Technische Orthopädie des Texas Scottish Rite Hospital for Children und den Leiter der Prosthetics Don Cummings zu besuchen. Am Tag zuvor konnte er die Einrichtungen des Prostetics and Orthotics Programms in Dallas besuchen und mehrer Vorträge für die Studenten des Studiengangs halten (Abbildung 16).


Abbildung 16: Daniel Heitzmann und Don Cumming (zweiter v. re) mit den Schülern des P&O Programms der Southwestern School of Health Professions in Dallas


Chicago

Nach Dallas stand mit Chicago der nächste Höhepunkt bevor. Das NUPOC (Northwestern University Prosthetics and Orthotics Center) hatte für uns ein vollständiges Symposium mit Gastreferent Prof. Michael Pinzur zusammengestellt. Dieses verlief usgesprochen konstruktiv. Hier gebührt vor allem Prof. Steven Gard und R.J. Garrick großer Dank für die Organisation (Abbildung 17). Während einer größeren Pause des Symposiums hatten wir Gelegenheit die einzelnen Forschungsbereiche und deren Räumlichkeiten zu besuchen. Diese bestanden aus dem Motion Analysis Lab, Electronics Lab, CAD/CAM Lab, Mechanical Testing Lab, und dem Machine Shop zur Fertigung von Versuchsaufbauten. Dies verdeutlichte nochmals, dass das NUPOC sehr breit aufgestellt ist und aus diesem Grunde zu den Top Adressen in der Ausbildung im Bereich der Technischen Orthopädie zählt. Erfreulich und spannend für uns waren die Bereitschaft und der Wille verschiedener Teamleiter uns nach dem offiziellen Programm noch zusätzliche Forschungsprojekte vorzustellen und mit uns zu diskutieren. Leider erlaubte es der Gesundheitszustand von Prof. Dudley Childress nicht, dass dieser am Symposium teilnehmen konnte. Über seine Mitarbeiterin konnten wir ihm aber Schokolade und Grusskarte zukommen lassen.


Abbildung 17: Die Fellows bei NUPOC mit Prof. Steven Gard (zweiter v. li.) und R.J. Garrick ( zweite v. re.)

Am nächsten Tag stand der Besuch der Forschungsabteilung des RIC (Rehabilitation Institute of Chicago) von Prof. Todd Kuiken und die Neuroplasticity Labors der Northwestern University von Prof. Lee Miller auf dem Programm. Hier erlebten wir an beiden Orten äusserst beeindruckende und wegweisende Pionierarbeit. Die Bandbreite reichte von bilateralen myoelektrischen Armprothesen, die über die „targeted muscle reinnervation“ angesteuert wird, über Handy-Apps zur Forschung des Patientenverhaltens über GPS, bis zur vollständigen Rehabilitations-Testabteilung für die Errichtung eines neuen Spitals beim RIC. Im Neuroplasticity Lab konnten wir diversen Testversuchen am Computer-Hirn-Interface mit trainierten Affen beiwohnen, wo als Ziel Prothesen von Hirnimpulsen computergesteuert werden sollen.


Abbildung 18: Prothese, die mittels der targeted muscle reinnervation angesteuert wird.


Miami

Nach Chicago stand mit Miami schon die letzte Reisestation auf unserem Programm. Hier durften wir uns über die sprichwörtliche Gastfreundschaft von Prof. John Bowker – mittlerweile 84-jährig und immer noch aktiv im Beruf – und seiner Gattin Alice freuen. Am Department of Physical Therapy der University of Miami besichtigten wir das frisch umgesiedelte, aber noch nicht vollständig aufgebaute Gait-Lab und lernten danach den Energie-geladenen Prof. Bob Gailey, einen der bekanntesten Physiotherapeuten für Gangschulung nach Amputation, kennen, der uns mit seinen Vorträgen und Ideen voll in den Bann zog.


Abbildung 19: Die Fellows und Prof. Bowker (zweiter v. li.) in Miami

Am letzten Kliniktag stand der Besuch von Prof. John Bowkers (Abbildung 19) Amputierten-Sprechstunde auf dem Programm, wo wir auch die Gelegenheit hatten, uns mit seinem Prothetiker auszutauschen. Anschließend präsentierte uns Prof. Bowker in einem Vortrag seine langjährige Erfahrung in der Amputationschirurgie, illustriert mit interessanten Fällen. Mit einem Tagesausflug in die Everglades rundeten wir unser intensives Reiseprogramm ab.

Was bleibt, sind die zahllosen Erinnerungen an das Travel-Fellowship-Programm, das für uns fachlich und vor allem auch menschlich eine unschätzbare Bereicherung war. Wir freuen uns darauf, die neuen Erkenntnisse in die Klinik einfliessen zu lassen und vor allem auch die gewonnenen Freundschaften zu pflegen.

Wir danken den Mitgliedern und dem Vorstand der Initiative’93 und der Fortbildungsvereinigung für Orthopädie-Technk e.V herzlich für die großartige Erfahrung und hoffen, dass auf uns in den kommenden Jahren noch zahlreiche Kollegen folgen werden.

Christoph Thaler, Daniel Heitzmann, Martin Berli

Vielen Dank !



9. Nordamerika – Travelling - Fellowship der Initiative 93 Technische Orthopädie 2010

Dieser Bericht versucht in einer kurzen Zusammenfassung die unvergesslichen Eindrücke und Erfahrungen wiederzugeben, die wir während des TO-Fellowships 2010 in den USA sammeln konnten. Vom 15.02. bis 20.03.2010 waren Los Angeles, San Francisco, Chicago, Salt Lake City, Minneapolis, Dallas, New Orleans und Miami Stationen unserer Reise.
Die Gruppe der TO-Fellows setzte sich zusammen aus Dr. med. Maximilien Jung (Schweiz/2), Dr. med. Nadja Walochnik (Österreich/3), Dipl. Ing. Ingo Pfefferkorn (Orthopädietechnikermeister, Deutschland/4) und Dr. med. Jürgen Götz (Deutschland/1). Wir danken sehr herzlich für die Chance, dass wir an dieser einmaligen, lehrreichen und uns prägenden Reise teilnehmen durften: der Initiative 93 TO für unsere Wahl und die Organisation und den Kostenträgern, den die Initiative tragenden DGOOC und BVOU (1), der Schweizerischen Gesellschaft für Orthopädische Chirurgie (2), der ISPO Österreich (3) und der Fortbildungsvereinigung für Orthopädietechnik (4).

Los Angeles
Die erste Station des Fellowships war Los Angeles. Bereits am ersten Tag erwartete uns mit einem Besuch bei Jaqueline Perry, der Begründerin der modernen Ganganalyse, einer der Höhepunkte unserer Reise. In den folgenden Tagen standen die Rancho Los Amigos, das Orthopaedic Hospital – Childrens’ Fracture Clinic sowie das Shrinner Hospital LA auf dem Programm. Das Hauptaugenmerk galt dabei kinderorthopädischen und –traumatologischen Krankheitsbildern sowie deren operativer und konservativer Therapiemöglichkeiten. Beeindruckend war unter anderem die enge Kooperation zwischen orthopädietechnischer Prothesen- und Orthesenversorgung, Physiotherapie und ganganalytischer Evaluation, wie wir sie im Shrinner Hospital beobachten konnten. Bei einem Besuch der Firma Össur lag der Schwerpunkt in der Diskussion über den neu entwickelten Flexfoot.
Besonderer Dank gilt Herrn Prof. Hsu, der sich während unseres gesamten Aufenthalts in L.A. in rührender Weise um unser Wohlergehen gesorgt und uns nach dem intensiven Arbeitsprogramm ein einmaliges Erlebnis mit einem Besuch des Magic Castle geboten hat.


Abb. 1: v.l.n.r. I. Pfefferkorn, Dr. M. Jung, Dr. H. Watts mit Gattin, Dr. J. Hsu, Dr. Nadja Walochnik, Dr. J. Götz

San Francisco
In San Francisco konnten wir neben einem Besuch im Ganglabor der Lucile Packard Children’s Hospital der Stanford University Medical Center die prothetische und orthetische Versorgung in einer orthopädietechnischen Praxis in Redwood City sowie in der Abteilung für Orthopädietechnik der University of California, San Francisco (UCSF) besichtigen.
Ein Besuch bei Hosmer in Palo Alto rundete das Arbeitsprogramm ab. Durch die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten der Greifer sowie anderer Werkzeugarme haben die Hooks in den USA im Gegensatz zum (süd-)europäischen Raum eine große Akzeptanz und weite Verbreitung. In dieser Traditionsfabrik der Prothesenproduktion, die bekannt ist für die Herstellung von Hooks, hat uns aber auch die Vorstellung anderer innovativer Prothesendesigns und ihre Herstellung sehr beeindruckt.

Chicago
Der Aufenthalt in dieser Stadt, die uns mit Schneesturm und eisiger Kälte empfing, diente hauptsächlich der Teilnahme am AAOP, einem der beiden bedeutenden amerikanischen Kongresse für Technische Orthopädie. Erstaunlich war vor allem das hohe akademische Niveau, mit dem die Präsentationen gehalten und die Diskussionen geführt wurden.
Auch der Besuch des Rehabilitation Institute der Northwestern University in Chicago war zutiefst beeindruckend. Nach Besichtigung des Ganglabors und einer Führung durch das Northwestern University Prosthetics Research Laboratory (NUPRL) und Rehabilitation Engineering Research Program (RERP) hielten wir in der Grand Round, an der auch Prof. Childress teilnahm, unsere Vorträge. Im weiteren Verlauf wurden wir von Dr. Todd Kuiken, Direktor des Neural Engineering Center for Artificial Limbs (NECAL), über den aktuellen Forschungsstand der von ihm mitentwickelten Methode der Targeted Muscle Reinnervation unterrichtet. Bei dieser Methodik, die derzeit fast ausschließlich bei Amputationen der oberen Extremität angewandt wird, werden spezifische Muskeln (target muscle, so z.B. der M. pectoralis) denerviert und mit präparierten residuellen Nerven der amputierten Extremität reinnerviert. Die nun über dem Muskel gemessene Aktivität entspricht den motorischen Befehlen, die der amputierten Extremität gelten. Durch diese Methodik kann die Steuerung der myoelektrischen Prothese noch präziser erfolgen. Die Weiterentwicklung dieser Methodik beschäftigt sich mit der Targeted Sensory Reinnervation, bei der durch Anschluss von afferenten Nervenfasern der verbliebenen Handnerven in die Thoraxhaut wieder eine projizierte Sensibilitätsempfindung der amputierten Hand gewonnen werden kann. Anschließend besichtigten wir unterschiedliche Forschungslabore deren Ausrichtung von der transkraniellen Magnetresonanzstimulation bis hin zu Tierversuchsreihen mit Affen im Neuroplasticity Labor von Lee Miller reichte. Hier wird am Tiermodell  an der intrakraniellen Signalableitung geforscht (Brain Machine Interface). Der Ansatz ist, durch Ableitung des Motorkortex über eine Neuroprothese und Abschätzung der beabsichtigten Muskelaktivität über einen Bypass das verletzte Rückenmark zu umgehen und direkt die Muskulatur durch elektrische Stimulation zu aktivieren.

Salt Lake City
Der kurze Aufenthalt in Salt Lake City bot ein dichtgedrängtes Programm. Nach der Vortragsrunde im Rahmen der Grand Round an der Universität von Utah und einer 10minütigen Stipvisite beim Temple, der größten Mormonenkirche, wurde uns von Harold Sears bei MotionControl das Entwicklungslabor sowie die Produktionsfertigung gezeigt. In zahlreichen verschiedenen Gesprächen erhielten wir einen Überblick von den Anfängen der Firma, der Entwicklung des Utah-Arms bis zu den aktuellen Forschungsprojekten.


Abb. 2: Zu Besuch in den Werkstätten von MotionControl

Auf direktem Weg ging es im Anschluss weiter zum Shriners Hospital von Salt Lake City. Dort wurden wir von Jaques L. D’Astous (MD) empfangen. Bei einer sehr interessanten Röntgenbesprechung wurden den Fellows besonders eindrucksvolle Fälle präsentiert und Behandlungsstrategien diskutiert. Weiterhin konnten wir die Gipstechnik bei Early Onset Scoliosis an einer Patientin sehen. Auch hier standen ein Besuch der hauseigenen orthopädietechnischen Werkstatt und des Ganglabors an. Eine zweite Vortragsrunde der Fellows beendete diesen wieder konzentrierten Tag.
Um auch die Zeit vor dem Abflug zu nutzen, stand noch der Besuch des Veteran Affairs (VA) Hospital auf der Tagesordnung. VA steht dabei für Veteran Affairs und umfasst ein Versorgungssystem für Veteranen, dessen Wurzeln bis in das Jahr 1636 zurückreichen. Der Forschungsschwerpunkt lag hier in der Infektprophylaxe sowie der Weiterentwicklung der Osseointegration von Prothesen. Überraschend für uns war die Wiederaufnahme der Bakteriophagentherapie zur Infektbekämpfung.

Minneapolis
Die Besichtigung des amerikanischen Headquaters von Otto Bock  begann im Corporate Center. Sean Toren berichtete uns über die Firmenstruktur. Anschließend  fuhren wir zum nahegelegenen Tech Center. Von hier werden ca. 22.000 Otto Bock Produkte ausgeliefert. Pro Tag sind ca. 30 Prothesenschäfte als Test- oder Definitivschaft in Fertigung, einige nach konventionellem Gipsmodell, die meisten jedoch in CAD-CAM-Technik als sogenannte ETS-Schäfte. Ein Schwerpunkt ist die neu errichtete Otto Bock Academy. Hier erhalten Orthopädietechniker die Möglichkeit der Fort- und Weiterbildung in Prothetik und Orthetik. Abschließend erfolgte die Besichtigung des Customers’ Service, hier gab es einen sehr guten Einblick in die logistische Struktur, angefangen vom Call-Center bis zur Auslieferung der Produkte.


Abb.3: v.l.n.r. Dr. Nadja Walochnik, Dr. M. Jung, Dr. J. Götz, I. Pfefferkorn, C. Konetchy (Otto Bock)

Kurzfristig ergab sich die Gelegenheit, die Mayo Clinic in Rochester zu besuchen. Während des gesamten Aufenthalts in Mayo wurden wir von Kenton Kaufmann, dem Direktor des Biomechanik- und Ganglabors betreut. Michael Yaszemski gab uns einen kurzen Überblick über die Arbeiten seiner Forschungsgruppe mit Gewichtung auf Tissue Engineering, Thomas Shives erläuterte uns die von ihm angewandten Amputationstechniken und postoperativen Behandlungsmethoden. Bei der Begleitung der Visite von Karen Andrews zeigte sie ihre Anwendungsmethoden des modernen Wundmanagements bei Patienten mit chronischen Wundsituationen bis hin zum Hemipelvektomierten.
Nach unserem Besuch müssen wir den Berichten, man befinde sich in der Mayo Clinic nicht in einem Krankenhaus, sondern eher in einem Fünf-Sterne-Hotel, voll und ganz beipflichten. Wissenschaft auf höchstem Niveau vereint mit optimaler Patientenversorgung erklärt, warum diese Klinik immer wieder Nummer 1 im Ranking „The Best Hospital America’s“ belegt.
Am folgenden Tag besichtigten wir in Minneapolis das größte Veteran Affairs Hospital der Vereinigten Staaten. Mit Al Pike, dem Certified Prothetist des Hauses, entwickelte sich eine anregende Diskussion zu neuen Schaft- und Prothesentechnologien, anschließend erfolgte ein Rundgang durch die Klinik.

Dallas
Der perfekten Organisation von Frank Gottschalk verdankten wir trotz unseres nur 1 1/2 Tage dauernden Aufenthalts in Dallas ein äußerst interessantes und abwechslungsreiches Programm. Bei der Morning Round im Scottish Rite Hospital for Children wurden von uns Fellows Vorträge gehalten. Anschließend erfolgte ein kurzer Besuch in dem mit der modernsten Technik ausgerüsteten Ganglabor der Klinik. Die Fellows erhielten die Möglichkeit, unterschiedlichen Operationen beizuwohnen.
Bei der Führung durch das P&O-Department der Klinik wurden die technischen Möglichkeiten präsentiert sowie anhand von Modellen Fallbeispiele diskutiert. Am Nachmittag wurden die Skoliosesprechstunde von Prof. Herring und die kinderorthopädische Sprechstunde von Charles Johnston besucht.
Der Vormittag vor dem Weiterflug nach New Orleans wurde genutzt um 2 Fellows eine Teilnahme an Operationen im Parkland Simmons Ambulatory Surgery Center zu ermöglichen. Die beiden anderen Fellows wurden in der Southwestern University mit den örtlichen Versorgungsmöglichkeiten der Orthetik und Prothetik vertraut gemacht.

New Orleans / AAOS
Zum ersten Mal seit der Verwüstung durch den Hurricane Katrina im Jahr 2005 fand die Academy wieder in New Orleans statt. Mit 24 Symposien, 730 Podiumspräsentationen, 567 Posterpräsentationen und einer überwältigenden Industrieausstellung konnte der Kongress nach mehrfach mitgeteilter Meinung nahtlos an die Tradition der vorangegangenen anknüpfen. Wir konnten die Gelegenheit nutzen, neben interessanten Kongressvorträgen in mehreren Kursen die derzeitigen amerikanischen Behandlungsstandards zu vertiefen.
Die Stadt selbst wuchs uns mit ihrem unvergleichlichen Charme ans Herz. Mit dem Besuch der schillernden Parade anlässlich des St. Patrick’s Day, die als eine der schönsten der USA gilt, klang der Aufenthalt aus.


Abb. 4: v.l.n.r. I. Pfefferkorn, Dr. Nadja Walochnik, Dr. M. Jung, Prof. Yaszemski mit Gattin, Prof. J. Eulert, Dr. J. Götz (abendlicher Empfang während des AAOS-Kongresses)

Miami
Den Abschluss unseres Fellowships bildete Miami. Der von Prof. Bowker organisierte Aufenthalt stand im Zeichen der Versorgung des Diabetischen Fußsyndroms sowie des Amputationschirurgie und –versorgung. Aus dem profunden Erfahrungsschatz des schon 82-jährigen, unverändert sehr aktiven, eindrucksvollen Arztes und weithin auf diesem Gebiet anerkannten Kapazität konnten wir wertvolle Tipps und Tricks mit nach Hause nehmen. In einer eigens für uns organisierten Sprechstunde wurden ehemalige Patienten einbestellt, um an unterschiedlichen Krankheitsverläufen sowohl die speziellen Amputationstechniken, deren prothetische Versorgung als auch den Langzeitverlauf zu demonstrieren. Auch in Miami konnten wir uns in einem VA-Krankenhaus einen Überblick über die dortigen rehabilitativen Versorgungsmöglichkeiten schaffen. Beeindruckend ist das Engagement, dass Bob Gailey mit seinem Team bei der Hilfe für die Erdbebenopfer in Haiti zeigt. Unsere Vorträge in der Grand Round an der Miller School der University of Miami bildete neben einem Besuch der Tissue Bank den Abschluss des offiziellen Programms. Der gemeinsame Ausflug mit Prof. Bowker in die Everglades sowie das Barbecue bei Prof. Bowker mit seiner Familie war abschließend noch einmal beispielhaft für die Gastfreundschaft, die uns auf all unseren Stationen in den USA entgegengebracht wurde.


Abb. 5: v.l.n.r. Dr. J. Götz, Dr. M. Jung, Prof. Bowker, Dr. Nadja Walochnik, Prof. Bob Gailey, I. Pfefferkorn (Besuch der Miller School of Medicine, University of Miami)

Anschrift für die Verfasser:
FOA Dr.med. Jürgen Götz
Orthopädische Klinik für die Universität Regensburg
im Asklepios-Klinikum Bad Abbach
Kaiser-Karl-V. Allee 3
93077 Bad Abbach

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